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Wie Sie unangenehme Dinge nicht mehr vor sich herschieben und schwere Zeiten im Leben bewältigen

Tina W. ist 37 Jahre alt und hat sich vor einem Jahr für ein Studium (Soziale Arbeit) neben dem Beruf entschieden. Sie wollte mehr in ihrem Job als Kindergärtnerin erreichen. Das Jahr war anstrengend, aber so langsam hatte sich Tina an die Doppelbelastung gewöhnt. Im Studium hatte sie sich ein Netzwerk aus Kommilitonen und Dozenten aufgebaut, ihre Tochter Karina hat die ersten Teenager-Allüren überwunden und in den letzten Wochen hat sie mit Tilman – ihrem Mann – den langersehnten Tanzkurs angefangen. Es schien, als würden sie beide endlich wieder Zeit füreinander finden.

Der Stress in Tinas Leben wollte also gerade weichen und Raum für Lebenswertes freimachen, da begann wie aus heiterem Himmel die heftige Zeit. Tina musste niederschmetternde Neuigkeiten verkraften, ihr Studium neu anfangen und gleichzeitig ein schwieriges medizinisches Problem bewältigen.

Fast wären sie und ihre Familie daran zerbrochen. Doch dann gab ihr ein befreundeter Gärtner einen Tipp, mit dem sie nach und nach alle Probleme bewältigen konnte. Dieser Tipp ist ganz einfach anzuwenden, muss aber konsequent durchgehalten werden.

Was war geschehen?

Es begann alles recht harmlos. Tina konnte schon eine ganze Weile nicht mehr gut sehen. Der Gang zum Augenarzt war unvermeidlich. Doch in der Sehschule der Praxis wollte sich einfach keine Brille finden lassen, welche ihre Fehlsichtigkeit korrigieren konnte. Mit sorgenvoller Miene schickte sie die Assistentin zurück zum Augenarzt.

Dieser stellte ungewöhnliche Punkte auf ihrer Makula (Bereich auf der Netzhaut) fest und überwies Tina an die Universitätsklinik. Dort erhielt sie die erschütternde Diagnose: Makuladegeneration. Fortschreitender Verlauf. Unheilbar.

Zügiger Zerfall

Wäre dies nicht schlimm genug gewesen, so setzte sich die Sehverschlechterung in den folgenden Monaten rapide fort. "Ein Schub, nichts ungewöhnliches bei dieser Krankheit", lautete die Diagnose der Ärzte. Irgendwann sank ihre Sehleistung unter 20 Prozent, Tina war von einem Tag auf den anderen "schwerbehindert".

Ende des Studiums?

Das Lesen war für Tina nur noch mit einer großen Lupe möglich. Aber schon nach wenigen Buchseiten waren ihre Augen total erschöpft. Sie litt fast jeden Abend unter Kopfschmerzen.

Sie hatte im Sekretariat bei ihrer Fern-Uni nachgefragt, ob sie aufgrund ihrer Schwerbehinderung einen Nachteilsausgleich oder eine Förderung erhalten würde. Man beschied ihr, dass man behilflich sein wolle, aber auf solche Fälle nicht eingestellt sei. Nachteilsausgleich müsse Tina im Einzelfall beantragen und prüfen lassen.

Die Kräfte schwanden

Tina hatte die ersten Monate damit zu kämpfen, ihre Krankheit überhaupt erst einmal zu verdauen. Akzeptieren konnte Tina ihre Situation noch nicht – immer wieder verzweifelte sie ob ihres Sehverlustes.

Die Probleme mit dem Sehverlust brachten eine Vielzahl von neuen Aufgaben mit sich. Tina musste sich erkundigen, welche Geräte ihr das Leben vereinfachen könnten, ob, wo und wie sie diese beantragen konnte und was am Ende für eine finanzielle Belastung auf sie zukommen würde.

Dann musste sie mit ihren Dozenten sprechen und im einzelnen abklären, wie lange sie mit welchen Hilfsmitteln die jeweiligen Klausuren schreiben dürfe.

Dann stellte sich heraus, dass die technischen Hilfsmittel sehr teuer waren, eigentlich fing alles erst bei 4.000 Euro an. Zudem musste sie sich zwischen verschiedenen Systemen entscheiden.

Tina war bei der Vielzahl der Aufgaben hoffnungslos überfordert. Sie schien seit Wochen nicht mehr gelacht zu haben. Da kam der nächste Schicksalsschlag.

Als ob ein Problem nicht genug wäre ...

Bei Tina sind nicht alle Zähne im Kiefer angelegt. In der oberen Zahnreihe fehlen ihr vorne – im sichtbaren Bereich – zwei Zähne. Ein Gendefekt. Bisher wurde diese Lücke mit einer Brücke gefüllt. Doch bei einer Routinekontrolle eröffnete ihr ihre Zahnärztin, dass rund um die Brücke Tinas Zahnfleisch von Paradentose angegriffen sei. Die Entzündung reiche bis tief in den Kiefer. Die Brücke müsste so schnell wie möglich dauerhaft entfernt werden, damit die Entzündung wieder aus dem Körper weichen könne. Die Zahnärztin schlug Implantate vor.

Leider stellte sich heraus, dass Tinas vorderer Kiefer zu schmal für Standardimplantate ist, neue Untersuchungen müssten her, Tina wurde der Gang zu weiteren Spezialisten nahe gelegt.

Die Liste wurde immer länger

Kurzum: Tinas ToDo-Liste wurde immer länger und länger, während Kraft und Motivation unaufhörlich nachließen. Tina fühlte sich erschlagen von der Vielzahl der Aufgaben, es gab keine klaren Lösungen, ihr fehlten zahlreiche Informationen – kein Land in Sicht.

Tina kam nicht mehr aus ihrem seelischen Tief heraus. Eine Freundin empfahl ihr, sich in Behandlung wegen Depression zu begeben. Noch ein Punkt auf der Liste ...

 

Des Gärtners Lösung

Tina kennt Theo seit Jugendzeiten. Er ist Gärtner und besitzt ein kleines Geschäft. Eigentlich wollte Tina bei ihm nur eine Blume kaufen, um sich ein wenig Licht ins Leben zu holen. Doch dann begannen sie ein Gespräch und Tina konnte nicht mehr aufhören zu weinen.

Theo bat sie, am Abend wieder vorbeizuschauen. Sie solle mal mitbringen, was sie bisher so an Aufgaben und To-dos aufgeschrieben habe.

Die große Liste

Am Abend saßen die Beiden bei einem Glas Wein zusammen und schrieben alles auf, was bei Tina so anstand. Was ihr wie ein Berg erschien. Es entstand eine ziemlich lange Liste:

  • Mit der Firma für das Lesegerät verschiedene Modelle testen
  • Mit den Dozenten ihrer 8 Fächer sprechen und Nachteilsausgleiche vereinbaren
  • Eine Verlängerung ihrer Studienzeit aufgrund ihrer Behinderung beantragen
  • Einen Termin mit dem Kieferorthopäden vereinbaren
  • Mit dem Vorsitzenden des Blindenvereins ein Beratungsgespräch führen
  • ...

Sie kamen zusammen auf 28 Punkte, die sich in den letzten Monaten angesammelt hatten. Erschlagend!

Zudem war nicht klar, ob mit der Abarbeitung eines Punktes auch das dahinter liegende Problem gelöst war. Würde der Kieferorthopäde eine Lösung finden oder würde er sie wieder weiter überweisen? Würden sich alle Dozenten einsichtig zeigen oder würde sie mit einem Anwalt ihr Recht durchsetzen müssen?

Tina konnte keine klaren Lösungsansätze erkennen, nur schwere Aufgaben, deren Erledigungen wahrscheinlich weitere Aufgaben mit sich brächten.

"Ich habe dafür einfach keine Kraft, Theo", war das Fazit, was Tina bei Betrachtung der langen Liste zog. "Am besten ich schmeiß das Studium hin und kürze meine Arbeitszeit, bis der ganze Mist hier überwunden ist."

Theo lächelte nur und sagte: "Ok, aber lass uns mal noch eine Sache versuchen ..."

Theos Erfahrungen

"Ich stand vor einigen Jahren ebenfalls vor riesigen Problemen. Mein Geschäft war eigentlich pleite und Monika hat sich von mir getrennt. Scheidung, Bankgespräche, Kundenprobleme – alles kam zusammen." Theo hob entschuldigend die Hand und beschwichtigte: "Das mag alles nicht so schlimm wie deine Probleme sein, aber glaube mir, ich war völlig fertig. Auch ich hatte eine Liste vor mir liegen. Ich hatte ein paar Firmen recherchiert, denen ich Floristendienste anbieten wollte. Einen Anwalt musste ich kontaktieren. Ich war kurzfristig bei einem Freund eingezogen und musste eine neue Wohnung suchen. Auch meine Liste war nicht gerade kurz."

Theo lächelte. "Aber auch mir fehlte die Kraft, mich den notwendigen Aufgaben zu widmen. Alles schien wie ein Berg. Ich habe nur noch Serien geschaut, statt die Aufgaben anzugehen. Immer wenn ich auf die Liste schaute , wusste ich nicht, wo ich anfangen sollte. Doch dann habe ich mir etwas überlegt."

Nur einen Punkt von der Liste pro Tag

"Nehmen wir als Beispiel die Telefonate. Kundenaquise – nicht gerade meine Lieblingstätigkeit. Und dann noch bei meiner Stimmung ... Ich hatte mir rund ein Dutzend Firmen rausgeschrieben, konnte mich aber nicht zum Anrufen überwinden. Und dann ...", Theo rückte näher an Tina heran, "dachte ich mir:

Einen Anruf pro Tag, das schaffe ich

So kam es dann auch. Ich telefonierte mit einer Firma – sie wollten sich mein Angebot überlegen – und dann habe ich mich wieder meinen Blumen gewidmet."

Die Tage gingen ins Land

"Und was soll ich dir sagen: Ruckzuck waren zwei Wochen rum und ich hatte alle Telefonate erledigt. Drei Firmen haben mir gleich einen Auftrag erteilt und der Anwaltstermin stand auch."

Theo zuckte mit den Schultern. "Vielleicht willst du es mit dieser "Eine-Sache-pro-Tag-Regel" auch einmal probieren? Bevor du dein Studium abbrichst, kann doch ein kleiner Versuch nicht schaden."

Tina lehnte sich zurück, nahm ihre Liste in die Hand. Einen Punkt pro Tag. Morgen also zum Beispiel das Telefonat mit dem Blindenverein. Das schien ihr schaffbar ...

Tina wieder zurück unter den Lebenden

Wie ist Tinas schwere Zeit ausgegangen? Gut, könnte man sagen.

Natürlich hat sie noch ihre Augenkrankheit. Auch hat sie diese einschneidende Tatsache noch nicht vollständig angenommen. Immer noch hadert sie manchmal mit ihrem Schicksal. Insbesondere dann, wenn die Sehleistung wieder schlechter geworden ist. Wenn sie eine Anzeigetafel letzten Monat noch lesen konnte und heute nicht mehr.

Aber die Probleme mit dem Studium, den Geräten und den Zähnen – die hat Tina alle mit der "Ein-Punkt-von-der-Liste-pro-Tag"-Regel gelöst bekommen.

Auftrieb kam aus den Gesprächen. Als sich Tina zu den ersten Schritten überwunden hatte, erfuhr sie von vielen Menschen unglaubliche Hilfsbereitschaft. Nicht von allen, vor allem einige Institutionen gehen kaum auf die Probleme von Sehbehinderten ein. Aber bei den Menschen fand Tina große Unterstützung.

So kam es, dass sie die Uni gewechselt hat. Im Laufe ihrer Gespräche stellte sich heraus, dass es in Deutschland Riesenunterschiede zwischen einzelnen Unis gibt, wie sie auf Sehbehinderte eingehen. Sogar von Studienfach zu Studienfach treten eklatante Differenzen auf. Zum Glück wohnt Tina in Berlin und da gibt es eine Uni, bei der Sehbehinderte sehr gut Soziale Arbeit studieren können.

Auch bei den Geräten zum Lesen und Arbeiten kristallisierte sich eine gute Lösung heraus, aber erst nach zahlreichen Gesprächen mit Tinas Krankenkasse, Herstellern, dem Behindertenbeauftragten der neuen Uni und weiteren Stellen.

Nicht ganz so toll lief es bei der Paradontoseproblematik. Tina musste viele Wochen mit zwei fehlenden Zähen in der oberen Zahnreihe überstehen, bevor eine Zahnärztin eine neuartige Klebetechnik herausfand, mit der die Paradentose-Problematik bei einer Brücke nicht mehr auftrat. Doch nun kann sie wieder strahlend lachen.

Alles in allem hat Tina ein halbes Jahr gebraucht, um ihr Leben wieder auf die Spur zu bringen. Aber die vielen Probleme brachten auch viele positive, ermutigende und inspirierende menschliche Begegnungen mit sich, so dass Tina sich gestärkt aus dieser Zeit hervorgegangen sieht. Neulich dachte sie sogar, dass sie heute mehr lacht als vor ihrer Krankheitsdiagnose.

 

Zusammenfassung: Ein-Punkt-von-der-Liste-pro-Tag

Die Vorgehensweise, nur einen Punkt von einer Liste pro Tag abzuarbeiten, eignet sich für schwere Zeiten im Leben. Wenn kein Land in Sicht ist und/oder wir kaum Energie haben, Probleme anzugehen. Die zahlreichen Aufgaben wie ein riesiger Berg Arbeit aussehen.

1 Sache pro Tag – das schafft man meist noch.

Dann ist es wie ein Zauber. Schneller als man denkt ist ein Monat rum und man hat 30 Dinge von einer To-Do-Liste abgearbeitet. Oftmals kommt dann das rettende Ufer in Sicht, das führt zu neuer Kraft ... Ein positiver Regelkreis beginnt zu wirken.

Aber Achtung: Eine Aufgabe pro Tag – das hört sich wenig an. Schnell sind wir versucht, noch eine zweite Sache zu erledigen. Da lauert eine Falle. Schnell reicht dann eine Sache nicht mehr aus, wir wollen eigentlich zwei oder drei erledigen. Und schon empfinden wir den Blick auf die Liste wieder als erschöpfend.

Wenn Sie dieser Empfehlungen folgen wollen, bleiben Sie also lieber erst einmal bei einem Punkt pro Tag. Ihr Leben läuft ja ganz normal weiter und Sie sollen den Rest des Tages nicht in Starre verfallen. Aber von der Problem-Liste, da belassen Sie es bei einer Aufgabe pro Tag, auch wenn diese nur klein ist. Zumindest in der ersten Zeit.

Später – wenn das Tief überwunden ist – können Sie wieder nach Belieben walten und sich mehr vornehmen.

Wie Sie unangenehme Dinge nicht mehr vor sich herschieben und schwere Zeiten im Leben bewältigen
Tina W. ist 37 Jahre alt und hat sich vor einem Jahr für ein Studium (Soziale Arbeit) neben dem Beruf entschieden. Sie wollte mehr in ihrem Job als Kindergärtnerin erreichen. Das Jahr war anstrengend, aber so langsam hatte sich Tina an die Doppelbelastung gewöhnt. Im Studium hatte sie sich ein Netzwerk aus Kommilitonen und Dozenten aufgebaut, ihre Tochter Karina hat die ersten Teenager-Allüren überwunden und in den letzten Wochen hat sie mit Tilman – ihrem Mann – den langersehnten Tanzkurs angefangen. Es schien, als würden sie beide endlich wieder Zeit füreinander finden.
Der Stress in Tinas Leben wollte also gerade weichen und Raum für Lebenswertes freimachen, da begann wie aus heiterem Himmel die heftige Zeit. Tina musste niederschmetternde Neuigkeiten verkraften, ihr Studium neu anfangen und gleichzeitig ein schwieriges medizinisches Problem bewältigen.
Fast wäre sie (und ihre Familie) daran zerbrochen. Doch dann gab ihr ein befreundeter Gärtner einen Tipp, mit dem sie nach und nach alle Probleme bewältigen konnte. Dieser Tipp ist ganz einfach anzuwenden, muss aber konsequent durchgehalten werden.
Was war geschehen? 
Es begann alles recht harmlos. Tina konnte schon eine ganze Weile nicht mehr gut sehen. Der Gang zum Augenarzt war unvermeidlich. Doch in der Sehschule der Praxis wollte sich einfach keine Brille finden lassen, welche ihre Fehlsichtigkeit korrigieren konnte. Mit sorgenvoller Miene schickte sie die Assistentin zurück zum Augenarzt.
Dieser stellte ungewöhnliche Punkte auf ihrer Makula (Bereich auf der Netzhaut) fest und überwies Tina an die Universitätsklinik. Dort erhielt sie die erschütternde Diagnose: Makuladegeneration. Fortschreitender Verlauf. Unheilbar. 
Zügiger Zerfall
Wäre dies nicht schlimm genug gewesen, so setzte sich die Sehverschlechterung in den folgenden Monaten rapide fort. "Ein Schub, nichts ungewöhnliches bei dieser Krankheit", lautete die Diagnose der Ärzte. Irgendwann sank ihre Sehleistung unter 20 Prozent, Tina war von einem Tag auf den anderen "schwerbehindert". 
Ende des Studiums?
Das Lesen war für Tina nur noch mit einer großen Lupe möglich. Aber schon nach wenigen Buchseiten waren ihre Augen total erschöpft. Sie litt fast jeden Abend unter Kopfschmerzen.
Sie hatte im Sekretariat bei ihrer Fern-Uni nachgefragt, ob sie aufgrund ihrer Schwerbehinderung einen Nachteilsausgleich oder Förderungen erhalten würde. Man beschied ihr, dass man behilflich sein wolle, aber auf solche Fälle nicht eingestellt sei. Nachteilsausgleich müsse Tina im Einzelfall beantragen und prüfen lassen.
Die Kräfte schwinden
Tina hatte die ersten Monate damit zu kämpfen, ihre Krankheit überhaupt erst einmal zu verdauen. Akzeptieren konnte Tina ihre Situation noch nicht – immer wieder verzweifelte sie ob ihres Sehverlustes.
Die Probleme mit dem Sehverlust brachten eine Vielzahl von neuen Aufgaben mit sich. Tina musste sich erkundigen, welche Geräte ihr das Leben vereinfachen könnten, ob, wo und wie sie diese beantragen konnte und was am Ende für eine finanzielle Belastung auf sie zukommen würde. 
Dann musste sie mit ihren Dozenten sprechen und im einzelnen abklären, wie lange sie mit welchen Hilfsmitteln die jeweiligen Klausuren schreiben dürfe.
Dann stellte sich heraus, dass die technischen Hilfsmittel sehr teuer waren, eigentlich fing alles erst bei 4.000 Euro an. Zudem musste sich zwischen verschiedenen Systemen entscheiden. 
Tina war bei der Vielzahl der Aufgaben hoffnungslos überfordert. Sie schien seit Wochen nicht mehr gelacht zu haben. Da kam der nächste Schicksalsschlag.
Als ob ein Problem nicht genug wäre ...
Bei Tina sind nicht alle Zähne im Kiefer angelegt. In der oberen Zahnreihe fehlen ihr vorne – im sichtbaren Bereich – zwei Zähne. Ein Gendefekt. Bisher wurde diese Lücke mit einer Brücke gefüllt. Doch bei einer Routinekontrolle eröffnete ihr ihre Zahnärztin, dass rund um die Brücke Tinas Zahnfleisch von Paradentose angegriffen sei. Die Entzündung reiche bis tief in den Kiefer. Die Brücke müsste so schnell wie möglich dauerhaft entfernt werden, damit die Entzündung wieder aus dem Körper weichen könne. Die Zahnärztin schlug Implantate vor.
Leider stellte sich heraus, dass Tinas vorderer Kiefer zu schmal für Standardimplantate wäre, neue Untersuchungen müssten her, Tina wurde der Gang zu weiteren Spezialisten nahe gelegt. 
Die Liste wurde immer länger
Kurzum: Tinas ToDo-Liste wurde immer länger und länger, während Kraft und Motivation unaufhörlich nachließen. Tina fühlte sich erschlagen von der Vielzahl der Aufgaben, es gab keine klaren Lösungen, ihr fehlten zahlreiche Informationen – kein Land in Sicht.
Tina kam nicht mehr aus ihrem seelischen Tief heraus. Eine Freundin empfahl ihr, sich in Behandlung wegen Depression zu begeben. Noch ein Punkt auf der Liste ...
Des Gärtners Lösung
Tina kennt Theo seit Jugendzeiten. Er ist Gärtner und besitzt ein kleines Geschäft. Eigentlich wollte Tina bei ihm nur eine Blume kaufen, um sich ein wenig Licht ins Leben zu holen. Doch dann begannen sie ein Gespräch und Tina konnte nicht mehr aufhören zu weinen.
Theo bat sie, am Abend wieder vorbeizuschauen, und sie solle mal mitbringen, was sie bisher so an Aufgaben und To-dos aufgeschrieben habe. 
Die große Liste
Am Abend saßen die Beiden bei einem Glas Wein zusammen und schrieben alles auf, was bei Tina so anstand. Was ihr wie ein Berg erschien. Es entstand eine ziemlich lange Liste:
Mit der Firma für das Lesegerät verschiedene Modelle testen
Mit den Dozenten ihrer 8 Fächer sprechen und Nachteilsausgleiche vereinbaren
Eine Verlängerung ihrer Studienzeit aufgrund ihrer Behinderung beantragen
Einen Termin mit dem Kieferorthopäden vereinbaren
Mit dem Vorsitzenden des Blindenvereins ein Beratungsgespräch führen 
...
Sie kamen zusammen auf 28 Punkte, die sich in den letzten Monaten angesammelt hatten. Erschlagend!
Zudem war nicht klar, ob mit der Abarbeitung eines Punktes auch das dahinter liegende Problem gelöst war. Würde der Kieferorthopäde eine Lösung finden oder würde er sie wieder weiter überweisen? Würden sich alle Dozenten einsichtig zeigen oder würde sie mit einem Anwalt ihr Recht durchsetzen müssen. 
Tina konnte keine klaren Lösungsansätze erkennen, nur schwere Aufgaben, deren Erledigung wahrscheinlich weitere Aufgaben mit sich brächten.
"Ich hab dafür einfach keine Kraft, Theo", war das Fazit, was Tina bei Betrachtung der langen Liste zog. "Am besten ich schmeiß das Studium hin und kürze meine Arbeitszeit, bis der ganze Mist hier überwunden ist."
Theo lächelte nur und sagte: "Ok, aber lass uns mal noch eine Sache versuchen ..."
Theos Erfahrungen
"Ich stand vor einigen Jahren ebenfalls vor riesigen Problemen. Mein Geschäft war eigentlich pleite und Monika hat sich von mir getrennt. Scheidung, Bankgespräche, Kundenprobleme – alles kam zusammen." Theo hob entschuldigend die Hand und beschwichtigte: "Das mag alles nicht so schlimm wie deine Probleme sein, aber glaube mir, ich war völlig fertig. Auch ich hatte eine Liste vor mir liegen. Ich hatte ein paar Firmen recherchiert, denen ich Floristendienste anbieten wollte. Einen Anwalt musste ich kontaktieren. Ich war kurzfristig bei einem Freund eingezogen und musste eine neue Wohnung suchen. Auch meine Liste war nicht gerade kurz."
Theo lächelte. "Aber auch mir fehlte die Kraft, mich den notwendigen Aufgaben zu widmen. Alles schien wie ein Berg. Ich habe nur noch Serien geschaut, statt die Aufgaben anzugehen. Immer wenn ich auf die Liste schaute , wusste ich nicht, wo ich anfangen sollte. Doch dann habe ich mir etwas überlegt."
Nur einen Punkt von der Liste pro Tag
"Nehmen wir als Beispiel die Telefonate. Kundenaquise – nicht gerade meine Lieblingstätigkeit. Und dann noch bei meiner Stimmung ... Ich hatte mir rund ein Dutzend Firmen rausgeschrieben, konnte mich aber nicht zum Anrufen überwinden. Und dann ...", Theo rückte näher an Tina heran, "dachte ich mir: 
Einen Anruf pro Tag, das schaffe ich
So kam es dann auch. Ich telefonierte mit einer Firma – sie wollten sich mein Angebot überlegen – und dann habe ich mich wieder meinen Blumen gewidmet."
Die Tage gehen ins Land
"Und was soll ich dir sagen: Ruckzuck waren zwei Wochen rum und ich hatte alle Telefonate erledigt. Drei Firmen haben mir gleich einen Auftrag erteilt und der Anwaltstermin stand auch."
Theo zuckte mit den Schultern. "Vielleicht willst du es mit dieser "Eine-Sache-pro-Tag-Regel" auch einmal probieren? Bevor du dein Studium abbrichst, kann doch ein kleiner Versuch nicht schaden."
Tina lehnte sich zurück, nahm ihre Liste in die Hand. Einen Punkt pro Tag. Morgen also zum Beispiel das Telefonat mit dem Blindenverein. Das schien ihr schaffbar ...
Tina wieder zurück unter den Lebenden
Wie ist Tinas schwere Zeit ausgegangen? Gut, könnte man sagen. 
Natürlich hat sie noch ihre Augenkrankheit. Auch hat sie diese einschneidende Tatsache noch nicht vollständig angenommen. Immer noch hadert sie manchmal mit ihrem Schicksal. Insbesondere dann, wenn die Sehleistung wieder schlechter geworden ist. Sie eine Anzeigetafel letzten Monat noch lesen konnte und heute nicht mehr.
Aber die Probleme mit dem Studium, den Geräten und den Zähnen – die hat Tina alle mit der "Ein-Punkt-von-der-Liste-pro-Tag"-Regel gelöst bekommen.
Auftrieb kam aus den Gesprächen. Als sich Tina zu den ersten Schritten überwunden hatte, erfuhr sie von vielen Menschen unglaubliche Hilfsbereitschaft. Nicht von allen, vor allem einige Institutionen gehen kaum auf die Probleme von Sehbehinderten ein. Aber bei den Menschen fand Tina große Unterstützung.
So kam es, dass sie die Uni gewechselt hat. Im Laufe ihrer Gespräche stellte sich heraus, dass es in Deutschland Riesenunterschied zwischen einzelnen Unis gibt, wie sie auf Sehbehinderte eingehen. Sogar von Studienfach zu Studienfach treten eklatante Differenzen auf. Zum Glück wohnt Tina in Berlin und da gibt es eine Uni, bei der Sehbehinderte sehr gut Soziale Arbeit studieren können.
Auch bei den Geräten zum Lesen und Arbeiten kristallisierte sich eine gute Lösung heraus, aber erst nach zahlreichen Gesprächen mit Tinas Krankenkasse, Herstellern, dem Behindertenbeauftragten der neuen Uni und weiteren Stellen.
Nicht ganz so toll lief es bei der Paradontoseproblematik. Tina musste viele Wochen mit zwei fehlenden Zähen in der oberen Zahnreihe überstehen, bevor eine Zahnärztin eine neuartige Klebetechnik herausfand, mit der die Paradentose-Problematik bei einer Brücke nicht mehr auftrat. Doch nun kann sie wieder strahlend lachen.
Alles in allem hat Tina ein halbes Jahr gebraucht, um ihr Leben wieder auf die Spur zu bringen. Aber die vielen Probleme brachten auch viele positive, ermutigende und inspirierende menschliche Begegnungen mit sich, so dass Tina sich gestärkt aus dieser Zeit hervorgegangen sieht. Neulich dachte sie sogar, dass sie heute mehr lacht als vor ihrer Krankheitsdiagnose.
Zusammenfassung: Ein-Punkt-von-der-Liste-pro-Tag
Die Vorgehensweise, nur einen Punkt von einer Liste pro Tag abzuarbeiten, eignet sich für schwere Zeiten im Leben. Wenn kein Land in Sicht ist und/oder wir kaum Energie haben, Probleme anzugehen. Die zahlreichen Aufgaben wie ein Riesenbergarbeit aussehen.
1 Sache pro Tag – das schafft man meist noch.
Dann ist es wie ein Zauber. Schneller als man denkt ist ein Monat rum und man hat 30 Dinge von einer To-Do-Liste abgearbeitet. Oftmals kommt dann das rettende Ufer in Sicht, das führt zu neuer Kraft ... Ein positiver Regelkreis beginnt zu wirken.
Aber Achtung: Eine Aufgabe pro Tag – das hört sich wenig an. Schnell sind wir versucht, noch eine zweite Sache zu erledigen. Da lauert eine Falle. Schnell reicht dann eine Sache nicht mehr aus, wir wollen eigentlich zwei oder drei erledigen. Und schon empfinden wir den Blick auf die Liste wieder als erschöpfend.
Wenn Sie dieser Empfehlungen folgen wollen, bleiben Sie also lieber erst einmal bei einem Punkt pro Tag. Ihr Leben läuft ja ganz normal weiter und Sie sollen den Rest des Tages nicht in Starre verfallen. Aber von der Problem-Liste, da belassen Sie es bei einer Aufgabe pro Tag, auch wenn diese nur klein ist. Zumindest in der ersten Zeit.
Später – wenn das Tief überwunden ist – können Sie wieder nach Belieben walten.

Geschrieben von

Peter Bödeker
Peter Bödeker

Peter hat Volkswirtschaftslehre studiert und arbeitet seit seinem Berufseinstieg im Bereich Internet und Publizistik. Nach seiner Tätigkeit im Agenturbereich und im Finanzsektor ist er seit 2002 selbständig als Autor und Betreiber von Internetseiten. Als Vater von drei Kindern treibt er in seiner Freizeit gerne Sport, meditiert und geht seiner Leidenschaft für spannende Bücher und ebensolche Filme nach.

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